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Freitag, 25. November 2011

Die Bürgerliche Artefaktur endet mit Finissage



Collage von Ingeborg Rath
(Bremerhaven) Am Sonntag dem 27.11. endet mit einer Finissage um 11:00 das Kunstprojekt „take five“ in der „Alten Bürger“ 194 in Bremerhaven. In acht Wochen haben fünf Künstler aus Bremerhaven und der näheren Umgebung mit ihren Arbeiten im offenen Atelier die Lebensqualität mit Impulsen belebt. Die unterschiedlichen Arbeiten die in dieser Zeit entstanden bekommen einen Platz in Lokalen und Geschäften in der „Alten Bürger“
Die Problematik ist in der ganzen Stadt zu sehen. Viele Geschäfte stehen seit Jahren leer. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen ist die hohe Arbeitslosigkeit ein Fakt der die Kaufkraft schwächt. Sinkende Umsätze treiben viele, auch alteingesessene Geschäftsinhaber in die Pleite. Ein anderer entscheidender Grund ist die Ansiedlung von Verkaufszentren die am Rand der Stadt die Kunden ziehen. Für den Einzelhandel in den einzelnen Stadtteilen wird es dann zur Herkules Aufgabe ausreichende Umsätze zu generieren. Selbst Einkaufstempel wie das Mediterraneo in der Innenstadt kommen nicht auf die nötigen Umsätze. Straßenbaumaßnahmen, die so langfristig und behindert angelegt waren dass einige Geschäfte unerreichbar wurden, kostete manchem Einzelhändler die Existenz. All diese Sachen sind hinreichend in der Presse besprochen worden. Nun liegt der Scherbenhaufen da. Die Stadt setzt seit Jahren auf mehr Tourismus. Kleine ehr unbedeutende Schritte sind erfolgt. Die Havenwelten machen einen guten Eindruck. Doch falls es einem Besucher in den Sinn kommen sollte durch Geestemünde, Lehe oder die Bgm.-Smidt-Straße zu schlendern, wird es wohl schnell der letzte Ausflug gewesen sein den er in dieser Stadt plante. Denn einkaufen kann man auch am Heimatort, wenn dort nicht sogar noch viel besser, und leere und verfallene Geschäfte/Häuser gibt es auch überall in der Republik.
Alfredo Caranguejo
Holzsägearbeit
Um der Vergeisterstadtung entgegenzuwirken initierte Jochen Hertrampf vom Kulturladen Wulsdorf bereits im Jahr 2006 die Kunstaktion „Kunst statt Leerstand“ die sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckte und an der 41 Künstler und Einrichtungen teilnahmen. Daraus ist so etwas wie eine Kulturaufgabe geworden. Aus „Kunst statt Leerstand“ wurde dann „Kultur statt Leerstand“, und immer wieder einzelne kleinere Kunst- und Kulturaktionen. In der „Alten Bürger“ gibt es die Quatiersmeisterei mit dem Kümmerer Jens Rillke. Der entwickelte mit Conny Wischhusen im Frühjahr 2011 die Idee in einem der vielen Leerstände ein offenes Atelier zu veranstalten. Mit dieser Aktion sollte die „Alte Bürger“ belebt werden. Sie erstellte ein Konzept, sprach einige Künstler an die mit ihren Arbeiten eine Vielfalt künstlerischen Schaffens anböten und stellte einen Förderantrag bei der WIN. Der Antrag wurde positiv entschieden und das Projekt startete am 2.10.2011. Jetzt, acht Wochen später, endet dieses Projekt. Durch das intensive Engagement der Künstler sind viele Werke entstanden und es haben viele kleine Geschichten statt gefunden. Man darf von einer Belebung sprechen, darf aber nicht vergessen, dass es keine Nachhaltigkeit gibt und die Impulse wahrscheinlich in wenigen Tagen oder Wochen verpufft sein könnten. Da muss die Frage gestattet sein ob es nicht sinnvoll wäre die Stadt insgesamt mit einem Kultur- und/oder Kunstförderprogramm auszustatten das sich auch nachhaltig auf den immer noch zu erwartenden Tourismus auswirkt? Die Förderung durch WIN kann bestenfalls als Trostpflaster angesehen werden. Denn die Effekte zeigen keine Nachhaltigkeit in Bezug auf die Wohnqualität-In-Nachbarschaft.
Das offene Atelier war an fünf Tagen in der Woche jeweils für mindestens zwei Stunden besetzt. Dann arbeiteten die Künstler vor den Augen der Passanten und Nachbarn. Interessiert kamen einige Bewohner aus der Umgebung herein, hielten eine Klönschnack, berichteten über ihre eigenen künstlerischen Aktivitäten, und organisierten spontan Mitmachaktionen. Ingeborg Rath, die mit selbst geschöpfem Papier eine Säule im Cafe de Fiets und andere Objekte collagierte, bekam Besuch von einem Kindergarten, um mit den Kindern deren eigenes Papier zu schöpften. Die Freude bei den Kindern war groß. Es tauchten bei ihr auch echte Bremerhavener Originale auf, so der „Rote Rolf“ der seine Erlebnisse mit Paul-Ernst Wilke teilte wie er mit ihm zusammen gemalt hatte. Hilke Leu hatte einige Kinder aus der Nachbarschaft zu Gast die sich zum zeichnen auf dem Fussboden ausbreiteten und die künstlerische Werkstatt-Atmosphäre genossen. Viele blieben auch nur an der Schaufensterscheibe stehen und beobachteten was im Laden geschah.
Anjou Reuter, Weidengeflecht
Das Arbeiten in einem offenen Atelier entspricht nicht unbedingt dem künstlerischen Schaffen. Es ist eine Einladung an die die sich näher dafür interessieren wie Kunst entsteht. Es kann nur ein schnuppern sein. Die intensiven Prozesse finden meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wenn z.B. Hilke Leu zum schmieden in die Werkstatt geht dann fällt die Welt von ihr ab und sie versinkt in ihre Arbeit. So etwas ist in einem offenen Atelier nicht möglich. Andererseits können direkte Kontakte mit dem Publikum auch herzerfrischend sein, wie sie berichtet. Anders war es da schon für Alfredo Caranguejo der seit 45 Jahren in der Szene auf der „Alten Bürger“ wandelt. Er hat einige Werke in den Läden gelassen und freut sich „So habe ich mich auf der Bürger verewigt und verwirklicht.“ Man kann auch nicht davon ausgehen in dem Zweistunden-Zeitfenster seine Kreativität anzuknipsen wenn man schon einen Arbeitstag hinter sich hat. So machte Conny Wischhusen in der Zeit  einige vorbereitende Arbeiten für die Linoldrucke um dann in ihrer Werkstatt auf der Presse die Drucke herzustellen. Die Druckpresse hätte sie eh nicht in die „Alte Bürger“ schleppen können. Anders war es da bei Anjou Reuter der sich hinsetzte und mit seinen Weiden arbeitete. Die künstlerischen Arbeitsweisen unterscheiden sich eben doch erheblich.
Am Sonntag werden nun die Werke ausgestellt. Die Geschichten mit den Quatiersbewohnern sind bereits erlebt. Die einzelnen Stücke sind zum Teil schon in den Geschäften oder Lokalen. Die verbliebenen werden dann ab 11:00 an die neuen Besitzer übergeben wenn die Sektkorken knallen. Die Wirte und Geschäftsinhaber haben sich offen für diese Aktion gezeigt und waren immer mit Hilfestellungen zur Hand wenn Mal Strom fehlte oder Wasser. Aber auch mit einem Kaffee und Tee kamen sie gerne ins Atelier um ihren Dank und ihre Verbindlichkeit zu bekunden. Was hier im kleinen auf Zwischenmenschlicher Ebene gut funktionierte darf gerne auf die weitreichenden und größeren Aufgaben in der Stadt übertragen werden. Und dann entsteht vielleicht doch noch ein Fünkchen Nachhaltigkeit.

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