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Mittwoch, 29. Januar 2014

Empathie ist keine Hexerei


(Wanna) Um es gleich vorweg zu nehmen - das Buch ist bereits 2008 im Hanser Verlag erschienen. Doch anstatt alt zu werden drängt das Thema zunehmend in unsere Wahrnehmung. Gesellschaftlich befinden wir uns auf den Weg in die Vereinzelung, um nicht Vereinsamung herauf zu beschwören. Ob das nun gut oder schlecht sei mag dahingestellt sein. Jedenfalls sind wir evolutionär nicht so flexibel um die Tatsache zu ignorieren, dass ein wesentlicher Teil von uns Menschen die Gemeinschaft und deren gemeinschaftsverträglichen Verhaltesmuster sind. Deshalb ist es auch nicht so verwunderlich, dass das Verständnis um Empathie in wissenschaftlichen Kreisen mehr Bedeutung erlangt. Das Buch von Frans De Waal - „Das Prinzip Empathie - Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können“ bietet einen guten fundamentierten Einstieg in das Thema. Der Autor ist in Atlanta C.H. Chandler-Professor für Primatenverhalten an der Emory University und Direktor des Living Links Center.

„Viele Tiere überleben nicht, indem sie sich gegenseitig beseitigen oder alles für sich behalten, sondern indem sie kooperieren und teilen. Das gilt in besonderem Maße für Rudeljäger wie Wölfe und Schwertwale, aber auch für unsere nächsten Verwandten, die Primaten.“ Und dass dies auch für  uns gelten kann beschreibt er in vielen anschaulichen Beispielen. Empathie ist die Fähigkeit nachzuempfinden was unsere Mitmenschen empfinden um so ein besseres Verständnis für sie zu bekommen. Es geht um eine Fähigkeit die wir so selbstverständlich hinnehmen, dass wir deren Bedeutung kaum noch wertschätzen. Erst in außergewöhnlichen Situationen bemerken wir die Fähigkeit zu aktivem Mitgefühl. Ganz im Gegensatz zu so unsinnigen Behauptungen wie: Die meisten Männer hätten einen Killerinstinkt, sie seien Jäger auf dem Pfad die Beute zu erlegen. Vielmehr zeigen Erhebungen, dass z.B. im 2. Weltkrieg nur ein Fünftel der Soldaten auf die Feinde geschossen haben. Wenn man sich näher mit der Empathie beschäftigt kommt man schnell zu der Frage ob Kriege humane Mittel sind um Konflikte zu lösen. Wir Menschen sind eben doch sehr komplexe Wesen die es verdient haben alle ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Und gerade bei Bewegungen wie Occupy Wall Street, S21, Arabischer Frühling wird deutlich wie wir uns organisieren. Nicht allein das www bietet die Möglichkeit, sondern wir sind bereit uns zu solidarisieren in bisher nicht da gewesenem Maße.

Frans De Waal - Das Prinzip Empathie 2008 bei Hanser ISBN 978-3-446-23657-8 Hanser Verlag

Montag, 27. Januar 2014

Erfahrungszustände der Zeit


(Wanna) Physikalisch betrachtet ist der Zeitverlauf gleichmäßig. Über die heutige Lebensqualität ist man ungeteilt der Meinung, die Zeit zerrinne nur so zwischen den Fingern. Doch wie die vielfältigen Erfahrungen mit der Zeit sind entscheidet jeder für sich. Eberhard Pfleiderer hat weit mehr als 100 Gedichte über Zeit geschrieben und wie wir oder er sie erlebt. In dem Buch, dass er kürzlich zusammen mit der Künstlerin Conny Wischhusen herausgegeben hat, sind eine Auswahl von 61 Gedichten erschienen. Von Seite zu Seite abwechselnd findet man eine Grafik und ein Gedicht.

Bei den Grafiken von Conny Wischhusen handelt es sich um Linolschnitte. Entstanden sind die in Dänemark in einer Dünen Landschaft. Genauer gesagt ist dort die Matrix entstanden. Denn es handelt sich um viele Ausschnitte aus einer Grafik die betont wird von Sand, Gras und Büsche, und einer Holzhütte. Aus dieser Kombination sind vornehmlich die Farbentscheidungen entstanden, Rot, Grün und verschiedene Papiersortenfarben. Die 60 Grafiken sind Teile aus der Gesamtansicht die jeweils in vergrößerter oder gleichem Massstab entstanden sind. Es sind Fragmente aus einer Gesamtsicht.

Und so ist es auch mit der Lyrik von Pfleiderer. Es dreht sich immer um die Zeit, aber aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Da gibt es ein Gedicht mit nur einer Zeile. Und dann wieder welche die sich schon fast prosaisch über zwei Zeiten strecken. Wer die Lyrik von Eberhard Pfleiderer kennt wird keine Reime erwarten. Er gibt in Bremerhaven Kurse für kreatives Schreiben. Und so frei gestaltet er auch seine eingängige, überraschende, nachdenklich stimmende, mit zwinkerndem Auge kritische Dichtung. Hier eine kleine Kostprobe:

Bettelei

Wir die Zeit Beraubten

Allen ständig erreichbar

Betteln
in ängstlich aufflackernder Wut
um
E-Mail freie Tage

Aber wehe sie werden gewährt!

„Un Zeit“ von Eberhard Pfleiderer, Lyrik und Conny Wischhusen, Grafik ist im Sujet Verlag Bremen, 2013, für 14,80€ erschienen. ISBN 978-3-944201-21-4  Sujet Verlag

Donnerstag, 23. Januar 2014

Es ist nicht gut es ist nicht schlecht, es ist prekär


(Hannover) Im Kötnerholzweg 47a ist auf der Ecke das Café Menagerie. Zur Tageszeit gerade Platz genug für ein paar Tische an denen sich lecker Kuchen und kleine Mahlzeiten nach Bistrokarte verzehren lässt. An den Wänden eine Ausstellung mit großformatigen Bildern. Eine Atmosphäre die den Charme des Verweilens abseits der Hauptstraße (Limmerstraße) atmet. Hier spielt zur Zeit die Agentur für Weltverbesserungspläne mit ihrem Stück „Willkommen im Prekariat“. Ca. die Hälfte der Erwerbsfähigen leben im Prekariat, so wird hier vorgerechnet. Wie lebt man als prekär Teilnehmender in der Gesellschaft? Kathrin Reinhardt als Angelika Bauer zeigt es in allen Facetten. Sie windet sich in Gefühlen der Depression, der Fantasie und der flüchtenden Liebe. Unterstütz wird sie dabei von Bingo Bruno (Jan Fritsch) der seine musikalischen Künste zum Besten gibt. Denn Angelika Bauer hat ihr Leben als Musical aufgeschrieben, und fordert von Bruno die Musik dazu ein. 

Eine gelungener Theaterabend gestaltet und inszeniert von Ulrike Willberg. Man bekommt nicht nur eine Menge sachdienlicher Informationen wie und was das Prekariat ist. Man wird in tragikkomische Weise auf eine Achterbahn der Gefühle mitgerissen. So skurril und nachdenklich stimmt der Abend, dass man selber eine Spur prekär sein möchte.

Weitere Vorstellungen sind am 24.01. und 25.01. sowie am 06., 20. und 21.02.2014 jeweils um 20:00. Karten können bestellt werden via Mail unter: Agentur für Weltverbesserungspläne

Mittwoch, 22. Januar 2014

Ausstellung in der Altstadtbuchhandlung verlängert.


(Otterndorf) Unter dem Titel: Homer Die Odyssee stellt die Altstadtbuchhandlung in der J.Heinrich-Voßstraße 8 in Otterndorf Holz- und Linolschnitte von Walter Knolle und Brigitte Kranich aus. Wegen der großen Nachfrage ist die Ausstellung bis zum 23.02.2014 verlängert.

Von Brigitte Kranich, die 1989 den Kulturpreis des Landkreises Harburg und 2013 den Dr. Hedwig Meyn-Preis der Stadt Lüneburg verliehen bekam, werden sechs großformatige Linolschnitte gezeigt. Walter Knolle stellt 23 zweifarbige Holzschnitte aus. Im März 2013 ist eine Edition dieser 23 Holzschnitte mit dazu gehörigen Texten als Mappe in einer Auflage von 20 Exemplaren erschienen.

Der Dichter und Übersetzer Johann Heinrich Voß, der ab 1778 in dem Haus der Ausstellung wohnte und in Otterndorf als Rektor arbeitete, übersetzt dort die Odyssee von Homer.

Die Ausstellung kann besucht werden zu den Öffnungszeiten der Altstadtbuchhandlung Mo.-Fr. von 9:00 bis 12:30 und 14:30 bis 18:00 sowie Sa. von 9:00 bis 12:30.

Mittwoch, 8. Januar 2014

Pisa war gestern


(Wanna) Die Notwendigkeit für eine grundlegende Reform der Bildung quillt aus allen Nähten. Die Ergebnisse von Pisa, egal was sie darstellen, kratzen nicht einmal an der Oberfläche dessen was geändert werden muss. Oder wir ziehen weiter eine Horde folgsamer Trottel heran, die nicht widerspricht und Funktionen ausführt um wirtschaftlich zu ticken. Man muss es schon so krass darstellen, um die Bedeutung in etwa zu ermessen die dieses Buch für die humane Entwicklung unserer Gesellschaft hat. Der Titel des Buches klingt wie blanker Hohn: „Jedes Kind ist hoch begabt“. Und im Untertitel steht dann auch schon wie wir diese Chance vertun: „Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen“. Wer ist qualifiziert über dieses Thema zu schreiben weil er über Wissen und Erfahrung verfügt oder Zugang zu diesen Gegenstand der Forschung hat? Gerald Hüther ist Professor für Neurobiologie an der Psychatrischen Klinik der Universität Göttingen. Neben anderen Titeln die er bereits geschrieben hat seien genannt: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn und vor allem: Die Macht der inneren Bilder - Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern. Er hat in den letzten Jahren bedeutende Beiträge zum Verständnis darüber beigetragen, wie unser Gehirn arbeitet. Uli Hauser ist der Co-Autor bei dem aktuellen Buch. Er wuchs in einer kinderreichen Familie auf, hat praktische Erfahrung in der Kinder- und Jugendarbeit. Er schrieb mehrere Bücher, z.B. Eltern brauchen Grenzen. Hauser wurde mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet und ist seit über 20 Jahren Reporter beim „stern“.

Das die Bildung reformiert werden muss ist schon lange bekannt. Es mangelt auch nicht an guten Vorschlägen. Nur scheint hier der Satz von Einstein zuzutreffen: Es ist leichter ein Atom zu spalten als eine Meinung zu ändern. Und die Meinung der Pädagogen und Bildungssystembewahrer ist noch unerschüttert. Sie drehen an den Stellschrauben um vielleicht bessere Pisa-Ergebnisse zu erheischen. Bei der Lektüre dieses Buches macht sich eine unbändige Empörung breit. Was gibt es wertvolleres als die nachfolgende Generation. Und genau dieses Generation wird der Unselbständigkeit, der Gestaltungsunfähigkeit, dem Misstrauen gegenüber sich und den Mitmenschen ausgeliefert. 

Zuerst schildern die Autoren: Welche Begabungen unsere Kinder mit auf die Welt bringen. Talente wie Liebe, Zuneigung, Offenheit, Gestaltungslust, Vertrauen, Beharrlichkeit und Mitgefühl - Eigenschaften über die kaum noch ein Erwachsener verfügt, oder bereit wäre sie sich einzugestehen. Im nächsten Kapitel schildern sie: Wie Kinder ihre Talente entwickeln können. Hier geben Hüther und Hauser Einblick wie Eltern: richtig unterstützen statt falsch fördern können. Ein Kapitel weiter Unter der Überschrift: Leider oft verschenkt - kommt dann der Kritik was in der Erziehung und Bildung vertan wird: Was wir aus den Begabungen unserer Kinder machen. Auf der letzten Seite sind Internet-Adressen aufgeführt von Schulen und Institutionen die den Wandel einer neuen Lernkultur begonnen haben und fördern.

Es handelt sich bei diesem Buch nicht um ein Lösungsheft mit Tipps und Tricks für eine bessere Welt. Die Problematik ist viel zu tiefgreifend um sie in absehbarere Zeit zu wandeln. Das Buch ist eine sehr wichtige Position in welche Richtung die Diskussion überhaupt gehen sollte. In den letzten 30 Jahren sind so gravierende Veränderungen in der Gesellschaft passiert die das Verhalten der Menschen untereinander irritiert. Heute kann niemand mit Bestimmtheit sagen wie wir uns kulturell ideal verhalten sollten. Dieses Buch zeigt allerdings auch, dass wir schon viel mehr wissen über unsere Möglichkeiten und sie nicht nutzen. Wir sind noch zu sehr in den alten Gewohnheiten gefangen. Es ist ein Buch für kreative Gesellschaftsgestalter - für Menschen mit Mut.

Erschienen ist das Buch bei Albrecht Knaus Verlag München 2012. Gerald Hüther, Uli Hauser - Jedes Kind ist hoch begabt - Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen. ISBN 978-3-8135-0448-4