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Dienstag, 13. Januar 2015

Hamburger Sprechwerk entlarvt NSA als Irrenhaus?!

1984 - Ein Alptraum, Ensemble Hamburger Sprechwerk
(Hamburg) Ein Event! Das Hamburger Sprechwerk zeigte gestern Abend in der Regie von Konstanze Ullmer „1984 - Ein Alptraum“ nach Georg Orwell von Pavel Kohout. Das besondere an diesem Abend; das Webportal livekritik.de hat zu einer Direktüberwachung aufgerufen. Natürlich in Absprache mit dem Sprechwerk. Ein knappes Dutzend Blogger und Kulturjournalisten haben sich eingefunden um im Verlauf der Aufführung via Twitter zu kommentieren. Ein interessanter Ansatz um die allgegenwärtige Überwachung zu illustrieren. Auf Twitter kann man die Kommentare im 140-Zeichen-Takt unter #watching1984 nachverfolgen.

In einer lockeren Runde treffen wir „Zwitscherer“ uns im Foyer. Erstes Kennenlernen, einige sind sich schon IRL begegnet oder via Internet bekannt. Dann ist Einlass. Das Publikum ist durchschnittlich sehr jung. Man könnte sagen sie sind alle Smart-phone-afin. Wie das wohl bei anderen Vorstellungen ist? Auf jedem Sitzplatz wird mit einem kleinem Zettel darauf hingewiesen, dass diese Vorstellung von jedem im Saal via Twitter kommentiert werden kann. Keiner verlässt den nahezu ausverkauften Raum. Die quasi zu erwartende Überwachung schreckt niemanden ab. Interessant! 

Jetzt, da ich im Zug sitze und diese Kritik in mein Notebook tippe (früher sagte man: auf der Maschine herunter reißen ((gemeint war eine Schreibmaschine, so ein antikes Schreibgerät)), na egal) fällt mir auf, dass ich gar nichts über das Publikum getwittert habe. Z.B. das Getuschel hinter mir, dass ich mit gespitzten Ohren sehr wohl mitbekommen habe. Das war wohl der Journalist in mir, der sich auf die Aufgabe konzentrierte und nicht auf die Möglichkeit intimste Geheimnisse wildfremder Menschen Preis zu geben. Aber gekonnt hätte ich es. Interessant!

Live dabei zu sein bedeutet natürlich auch auf alle unvorhergesehenen Probleme in „Echtzeit“ zu reagieren. Und die lassen nicht lange auf sich warten. Kaum hatte ich die ersten Tweets lanciert, beginnt die Übertragung zu schwächeln. Das Netz wird so langsam, dass mein Notebook in Energiesaparmodus fällt. Ich wecke ihn vier Mal wieder auf, dann endlich ist der Tweed durch. Ich wechsele zum Smart Phone, doch auch dieser Weg ist einfach zu langsam. Ich könnte drei oder fünf Kommentare abgeben in der Zeit die einer ins Netz braucht. Ist nun die Echtzeit-Überwachung gescheitert? Keineswegs! Denn dieser Direktversuch deckt die Umstände auf, die das System der Überwachung mit sich bringt. Nun könnte man dem Sprechwerk ankreiden, dass sie kein leistungsstarkes Netz zur Verfügung gestellt haben. Aber es geht nicht darum das Sprechwerk zu blamieren, sondern eine Überwachung zu zeigen. Und selbst die NSA, CIA und-wie-sie-alle-akronymen sind nicht 100%ig vor technischen Problemen gefeit. Aber mir gehen noch weitere Bedenken durch den Kopf die bei einer Totalüberwachung auftreten könnten. Denn als Brillenträger muss ich die Sehhilfe abnehmen um zu tippen. Derweil sehe ich nicht was auf der Bühne passiert. Mit meinen dicken Wurstfingern bin ich auch nicht der Schnellste. Und so passiert es, dass ich zwar den einen oder anderen Kommentar versende, aber nur unzusammenhängende Bruchstücke von dem mit bekomme was auf der Bühne gespielt wird. Sorry liebe Sprechwerker, ich habe nichts mitbekommen weil ich mit überwachen beschäftigt war.

Da fällt mir „Das Leben der anderen“ ein. Die Szene in der Wisler von Uwe, der auf keinen Fall für intellektuell gehalten werden möchte, abgelöst wird. Es kommt nämlich immer drauf an wer zuhört, zuschaut, reagiert; ist es ein strunzblöder Uwe oder ein überpenibler Wisler. Jedenfalls ist es keiner der die Situation erfasst. Denn er darf nicht mitmachen. Der Überwacher ist ein von der Gruppe der Menschheit ausgestossener Nerd, ein sozial inkompetenter Spanner, unfähig eine tragende  Entscheidung zu treffen. Denn dafür hat er seine Vorgesetzten. Aber spinnen wir den Faden weiter. Seit einiger Zeit wissen wir durch die Berichte in der Presse und Rundfunk, die Geheimdienste haben keine Verwendung für die erhobenen Daten. Keine, ü-ber-haupt-keine. Interessant! Es werden also Myriaden von Terrabites gesammelt die zu nichts Konkretem nutzbar sind. Ausser natürlich um uns, die Überwachten, das Gefühl zu vermitteln, dass man alles über uns weis. Interessant! Man stelle sich einmal den Aufwand vor der da betrieben wird. Daten sammeln, lagern, verrotten lassen, mit Energie zum speichern versorgen, archivieren, schützen (notfalls mit Waffengewalt), und kein Preis ist zu hoch um dieses irrsinnige Treiben abzubrechen. Das kommt mir vor wie die Szene in „Die Ente klingelt um halb acht“ damals mit Heinz Rühmann. Da jagt einer eine Taube im Irrenhaus die gar nicht da ist. Sind die Geheimdienste also nichts anderes als Irrenanstalten? Ich will gar nicht darauf anspielen, dass die beiden Terroristen in Paris letzte Wochen von der Polizei überwacht wurden. Etwa zum Spaß?

Wer also hat Nutzen von der Überwachung, der Erfassung dieser riesigen Datenmengen? Klar Facebook und Konsorten. Natürlich! Die sammeln die Metadaten und werten die mit klug gestalteten Algorithmen aus, um uns dann eine Welt zu spiegeln die mit der unseren überraschend ähnlich ist. Das hindert uns daran zu leben. Denn es ist ein wesentlicher Bestandteil von Leben, dass man überrascht wird. Das man mit Situationen umgehen muss, die man weder geplant noch im Griff hat. Geben wir es doch zu. Wir bewegen uns lieber auf der sicheren Seite des Lebens, geben unsere PLZ bei Media-Markt ab und bekommen die entsprechende Werbung mit der Post zugestellt. Wir zeigen unsere Payback-Karte und bemerken nicht das wir für unsere Daten nichts zurück bekommen. Wir sind eben faul, blöd und dekadent. Wir wollen es bequem haben und ein bisschen meckern. Ja?! Aber im Grunde sind uns unsere Daten scheißegal. 1984 ist kein Alptraum. Wenn man das lebt - ist es einfach nur die Realität. So what? 

Hm, interessant!

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