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Sonntag, 25. Januar 2015

Turbulenzen der Herzen

Andreas Krämer + Vivienne Kaarow
(Bremen) Premierenspannung liegt in der Luft. Das ist eine Atmosphäre die aus der Kombination von intensiver Probenarbeit und souveräner Gelassenheit besteht. Wenn im Theater um etwas gerungen wurde, und die Macher vor Erwartung platzen könnten. Wenn auf der Bühne an Grenzen gekratzt wird, dann springt der kreative Funke auf, um alle in seinem Bann zu verzaubern. Dieser Funke zeigte sich auch Freitag Abend im Theaterhaus Schnürschuh bei der Premiere von David Greig und Gordon McIntyres Stück „Eine Sommernacht“.

Analog zu der Binsenweisheit, dass, wenn man verliebt ist, die Herzen Achterbahn fahren, ist die Inszenierung eine kurvenreich rasante Odyssee. Regisseur Frank Auerbach hat diesen vielschichtigen Erzählkosmos dynamisch strukturiert. Nachdem Helen (Vivienne Kaarow) und Bob (Andreas Krämer), eine Scheidungsanwältin und ein Kleinkrimineller, sich gefunden, betrunken und beschlafen haben, wird die schottische Komödie Schicht um Schicht ernsthafter. Was macht man am Tag nach dem „Ausrutscher“ wenn man sich zufällig auf der Straße trifft. Und um es noch etwas zu verkomplizieren, wenn man spürt; der One-Night-Stand hat tiefere Gefühle geweckt/hinterlassen? Helen und Bob stammeln verlegen, trennen sich um sich wieder zu finden, treffen sich um wieder auseinander zugehen. Mit einem breit gefächertem Erzählstilangebot sieht man die zerrissenen, zweifelnden, hoffenden Gefühle und wie sie aus Helen und Bob Spielbälle machen. Sie kommentieren sich gegenseitig, Bob spielt plötzlich Klavier - Helen singt, und im nächsten Moment sind sie die Erzähler zum Film der über der Szene projiziert wird. Das Klavier wird über die Bühne geschoben, ist eine Bar, ein Tresen, eine Parkbank, dann fliegt ein Schuh und Dostojewski wird zitiert. Eine Pointe jagt die nächste, bis hin zu den kleinen Inseln, wenn es still wird im Dialog, wenn die beiden über Vergangenheit, Wünsche, Selbstzweifel und Hoffnungen reflektieren. Der schottische Humor verdient hier eine kleine Beachtung. Auf einer sachlich überzeugenden Ernsthaftigkeit folgt eine sachlich aber absurde Wendung die mit einer Prise Hintergründigkeit gewürzt ist. Hier wird eine traurige Wahrheit mit der nächsten traurigen Wahrheit übertölpelt. Schon Charlie Chaplin vertrat die Ansicht, dass die schwersten Momente der Menschen nur mit einer Portion Humor zu ertragen sind. Und auf diese Weise werden Helen und Bob mit ihren seelischen Bürden zu beschwingten Charakteren, mit denen man sich leicht in Beziehung setzten kann.


Die Inszenierung von Frank Auerbach setzt nicht auf große Effekte, nicht auf die Darstellung besonderer künstlerischer Fähigkeiten. Vielmehr nivelliert er das Spiel, den Gesang auf einen fast ordinären Sprachduktus aus. Hier gibt es nicht die große Gesangstimme, die uns ehrfürchtig aufhorchen lässt. Es gibt auch keine bedeutungsschwangeren Gesten, die ein Publikum mit Deutungsbeklemmungen zurücklässt. Vielmehr wird mit solidem Handwerk eine fast schon familiäre Nähe zwischen Zuschauer und Akteure hergestellt. Der Funke ist übergesprungen, das Publikum bedankt sich mit nicht enden wollenden Applaus. Nächste Vorstellung ist am Sa. 31. Jan. 2015 WEITERE INFOS

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