Inh. Friedo Stucke, Kastanienbogen 8 in 21776 Wanna  eigene.werte@t-online.de

Freitag, 15. Mai 2015

Tanz und Puppe gegen das Vergessen

Ausencia @ Marianne Menke
(Bremen) Im Abendprogramm zeigt das kleine feine Theater in der Schildstr. 21, Mensch,Puppe! die Uraufführung Ausencia / Abwesenheit. Eine Kombination von Figurentheater und Tanz um ein Thema dessen Aktualität nicht vergehen will und kann.

Menschen verschwinden als Teil der hilflosen Herrschaftsbemühungen Argentiniens Militärdiktatur von 1976 bis 1983. Spurlos aus dem Weg geschafft wurden nahezu 30.000 Menschen / Familienmitglieder. Die Angehörigen bekamen keine Nachricht über den Verbleib der Verschwundenen. Staatsterror geht Hand in Hand mit Lügen, Ungewissheit und willkürlicher Bestrafung nach kruder Rechtsauffassung. Parallelen zu aktuellen Zuständen an vielen Orten auf der Erde sind leicht und in großer Zahl zu finden. Mit der Inszenierung von Mensch, Puppe! Ausencia / Abwesenheit kommt vor allem die sprachlose Ohnmacht der betroffen Zurückgebliebenen in Fokus.

Leere Stühle auf denen die Abwesenden sitzen, ein Klavier, das für die entfernten Verwandten spielt, ein Tänzer (Tomas Bünger auch Choreografie) der vergeblich, sehnsüchtig, verzweifelt und verstört versucht mit den nicht Anwesenden in Kontakt zu treten. All das trägt ästhetisch die Beklemmung der Zurückgebliebenen. Das ist das Leiden, dass die Staatsmächte statt regieren anwenden - gnadenlose Kontrolle! Es ist ein Zeichen von Schwäche, wenn Staatsmacht (demokratisch oder diktatorisch) kontrolliert und mit Gesetzen Ordnung zu erzwingen versucht. Die Reaktion in Argentinien war und ist beeindruckend stark und simple. Die Angehörigen erkennen selbst nach 40 Jahren nicht an, dass die spurlos verschwundenen tot sind. Sie werden es so lange nicht anerkennen, bis ihnen die Körper zurück gegeben werden. In der Inszenierung tritt der leibhaftige Tod auf. Er ist der ungesehene Partner einer ganzen Generation mit dem man spielt, den man ignoriert, dessen konkrete Anwesenheit aber unvermeidlich immer präsent ist. Der doppelbödige Dialog mit dem Tod und den Abwesenden wird durch die experimentelle Musik von Alexander Seemann hervorgehoben. Klänge wandeln unhörbare Worte in Dialoge, und Bünger kehrt das Innere physisch hervor - lässt damit die Abwesenden für einen zarten Hauch der Nähe aus der Vergangenheit auftauchen.


Ausencia / Abwesenheit wird im Figurentheater Mensch, Puppe! im Abendprogramm wieder am 29. Mai um 20:00 gezeigt. Durch die Verbindung von Tanz und Puppenspiel und der im Spiel integrierten Musik, entsteht eine Zwischenwelt von Angst, Verlust, Terror und Hoffnung, die dem Vergessen den Spiegel hinhält. MENSCH, PUPPE!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen