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Samstag, 17. Februar 2018

Fingerübungen des kreativen Schreibens

(Berlin) Anfänglich hatte ich eine unbestimmte Abneigung gegen das Buch aus dem Duden Verlag. Doch dann, weil es meine sentimentale Ader ansprach, ließ ich mich ein kleines bisschen darauf ein. Ich habe eine Neigung zu haptischen Erlebnissen. Und die Beschreibung darüber wie man seinen Schreibplatz einrichten möge, verleitete mich dazu mit einer wachsenden Neugier zu lesen. 

Ich bevorzuge eine andere Richtung des kreativen Schreibens. Eine Richtung in der es viel darum geht wie man die beiden Hirnhälften in den kreativen Prozess einbezieht. Hanns-Josef Ortheil schreib nicht ein einziges Wort darüber. Und im Literaturverzeichnis finde ich auch keine Erwähnung eines dieser Bücher, die ich bereits wissbegierig verschlungen habe. Und ehrlich gesagt die Unzahl von Schreibaufgaben die einen Schriftsteller aus mir machen können, kann ich auch nicht mehr ausstehen. Aber Ortheil gibt einen etwas anderen Ansatz den ich so noch nicht gesehen hatte, den handwerklichen Ansatz. Die Fähigkeit lesen und schreiben zu können einmal vorausgesetzt geht es darum wie man diese Werkzeuge für das Schreibhandwerk benutzt. Die kleine Verbindung zwischen dem Wissen wie man einen Satz mit Punkt und Komma bildet und dem wie man etwas ureigenes erzählt. Das ist nicht die Fortführung der Kenntnisse darüber wie ein Aufsatz geschrieben wird, sondern wie ich aus mir genau das heraus bringe - was ich zu sagen habe. Der Autor Hanns-Josef Ortheil kennt mich nicht und kann in Folge dessen auch nicht eine persönliche Beratung geben. Er findet aber in den 25 Schreibübungen einen Ton der sowohl präzise ist in der Anleitung, als auch frei in der Ausführung wie ich die Übungen machen kann.

Dabei folgt er einer wenig strengen, aber konkreten Didaktik. Er beginnt mit dem Arbeitsplatz, der Zeiten, den Geräten um so ein Raum-Zeit-Kontinuum zu etablieren. Bereits im ersten Kapitel wird deutlich, man muss sich für das Schriftstellerleben entscheiden. Das Buch trennt zwischen den Zeilen sofort zwischen gefühlsduseligen Möchtegernschreibern und denen die es ernst meinen. Sollten sie vorhaben im geschützten Kreis einer Handvoll Freunde in ihrer Freizeit einmal eine Geschichte zu schreiben, dann lassen sie dieses Buch im Laden stehen. Gehen sie lieber für die 14,95€, die sie für dieses Buch gezahlt hätten, mit ihrem Partner ein Eis essen und erfreuen sie sich an der Schlagsahne die andere kunstvoll schlagen. Falls sie aber bereit sind ihr Leben umzukrempeln um feste Schreibzeiten einzurichten, wenn sie bereit sind täglich zu schreiben, auch wenn die Mutter stirbt oder ihre Kinder eingeschult werden, wenn sie bereit sind in ihrer Freizeit einsame Stunden für die Arbeit am Text einzulegen, wenn sie bereit sind Exkursionen zu unternehmen die nur Gleichgesinnte verstehen mit denen sie evtl. weder verwandt noch befreundet sind, dann ist dieses Buch eine sehr lohnende Quelle hilfreicher Anleitungen.

Das Buch gibt so gut wie keinen philosophischen Überbau. Hier nimmt man den Stift in die Hand und bringt die Tinte aufs Papier. Dies ist eine weitere starke Komponente die das handwerkliche an diesem Buch ausmacht. Die Möglichkeit mit Computer zu arbeiten wird kaum erwähnt. Können sie natürlich machen; aber es geht darum die Hände in den Dreck zu stecken, das Ergriffene zu kneten um dann mit schwarzen Rändern unter den Nägeln etwas zu Papier bringen was Bestand hat, etwas Wahres, etwas dass es lohnt geschrieben und gelesen zu werden. Und das ist nicht inhaltlich gemeint sondern handwerklich literarisch. Meiner Meinung nach z.B. hat Rosamunde Pilcher inhaltlich den größtmöglichen Scheiß geschrieben aber auf eine literarisch anspruchsvolle Art. Also welchen Stuss oder welches Banalgefasel sie nach dem Studium dieses Buches auch verzapfen, er kann sehr anspruchsvoll niedergeschrieben sein. Und das halte ich für einen weiteren Vorteil dieses Buches. Die klare Trennlinie zwischen dem was man schreibt und wie man es schreibt. Diese Entscheidung liegt und bleibt ausdrücklich bei ihnen. Ohne auf Kreativität in jedem Kapitel hinzuweisen gibt Ortheil die Schlüssel in die Hand der Leser zu lernen sie anzuwenden. Das ist ein großes Geschenk.

Der Titel: „Mit dem Schreiben anfangen“ deutet auf Grundlagen. Diese Grundlagen sind schon sehr weitreichend. Ich verrate wohl nicht zuviel, wenn ich behaupte man könne sich ein bis zwei Jahre intensiv mit diesen Übungen beschäftigen, ungeachtet dessen ob man den ganzen Tag Zeit hat oder nur einige Stunden täglich abzweigen kann. Und die Übungen geben auch ein abgerundetes Bild dessen was man braucht um erste Texte, kleinere und größere, zu verfassen. Man darf aber nicht vergessen, die Kunst zu schreiben geht noch viel weiter. Wenn man sich intensiv mit den Aufgaben die Ortheil vorschlägt beschäftigt, und erste Texte verfasst, wird sich schnell die Neugier einstellen andere künstlerische Fragen des Schreibens zu klären.

ISBN 978-3-411-74904-1

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