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Donnerstag, 3. November 2011

Poetry Slam erreicht Bremerhaven


(Bremerhaven) Dienstag Abend fand in der VHS der erste Poetry Slam statt. Die Idee wurde von Eberhard Pfleiderer aufgegriffen und auf Seestadtniveau umgesetzt. Mit neun Autoren und ca 50 Gästen wurde im Ausbildungs-Restaurant der Volkshochschule Bremerhaven der Versuch unternommen, diese in der gesamten Bundesrepublik seit Jahren bekannten Literaturform, ein Forum zu geben.
Was ist ein Poetry Slam? Diese Frage dürfte vielen Bremerhavenern unter den Nägeln brennen. Selbst viele der anwesenden Gäste hatten keine klare Vorstellung davon. Die Basis ist ein ca. sieben minütiger Text. Ein Autor, oder so genannter Slammer, schreibt einen Text in diesem Zeitmass. Von Slam zu Slam wird dieses Zeitmass abgewandelt. Es können auch mal fünf oder zehn Minuten sein die einem Slammer zur Verfügung gestellt werden. Da kommt es auf die Sprachgewandtheit der Slammer an, wenn sie ihren Text in kürzerer Zeit dabieten müssen. Die Texte sind oft philosophisch, spritzig, und stehen den Rap-Texten nahe. Gewöhnlich sind die Texte so verdichtet, dass man sie nicht mehr verstehen kann sondern erleben muss um sie zu erfahren. Um das zu erreichen werden die Texte so zu sagen mit Sprachwitz, Wortspielereien, Metaphern, Sprechmelodie und vielen experimentellen Komponenten komponiert. Poetry Slam kann man als die Hochform des „kreativen Schreibens“ bezeichnen. Dabei werden alle Regeln freizügig gebrochen um ein Literaturerlebnis zu schaffen, dass sich durch die Kunst des Lesens oder Aufsagens auszeichnet. die sieben Minuten-Texte zu schreiben darf man ohne Scham als eine aussergewöhnliche Fähigkeit bezeichnen.
Obwohl diese Form der Literatur den Autoren viel abverlangt ist sie als Literaturform in den Elfenbeintürmen der Sprachwissenschaft noch nicht anerkannt. So wird beispielsweise beim „Poetry an the Road“ in Bremen Poetry Slam strikt ausgeschlossen. Die Veranstalter begründen das mit der nicht normfähigen Natur dieser Literaturform. Es ist eben zu viel erlaubt und die Kategorie „Dauer“ sagt nicht genug über die Form aus. Nichts desto Trotz erfreuen sich seit einigen Jahren Poetry  Slam Veranstaltungen wachsender und großer Beliebtheit. Im Rhein-Main-Gebiet sind Slams mit 500 bis 1000 Gästen keine Seltenheit. Es gibt Wettkämpfe bei denen die besten Slammer der BRD ermittelt werden. In Städten wie Hamburg gibt es kein Wochenende an dem nicht mehrere Poetry Slams statt finden. Es ist also wirklich „verwunderlich“, wie Eberhard Pfleiderer zur Einführung in der VHS sagte, „dass es in Bremerhaven bisher noch nicht angekommen sei“. Grade der Tourismusbranche müsste es doch aufgefallen sein wie viele Kurzbesucher mit dieser Veranstaltungsform in die Stadt zu locken wären. Dazu muss man wissen das die Slammer viel unterwegs sind und quasi an jedem Wochenende in einer anderen Stadt auftreten, und dabei oftmals ihre Fangemeinde im Schlepptau oder vor Ort haben. Sie werden oft eingeladen und bekommen kein Honorar, sondern lediglich ihre Reisekosten erstattet.  Auf der Internet Seite My.Slam.de finden sich einige Akteure die an über 1000 Veranstaltungen teilgenommen haben.
Es gibt einige Regeln nach denen ein Poetry Slam abgehalten wird. 1. Ca. sieben Minuten Text hatte ich schon erwähnt. Wird diese Zeit überschritten gibt es verschiedenen Möglichkeiten darauf zu reagieren. Beim „Slammer Filet“ in Bremen wird ein steigender „Hafenumgebungslaut“ eingespielt bis der Slammer nicht mehr zu verstehen ist. Es gibt auch die Variante einen Wecker klingeln zu lassen oder mit einer Hupe zu tröten. Oder eine andere Variante, die in der „Kuß Rosa“ im Bremen praktiziert wird, ist, dass das Publikum den Slammer ausbuht oder ihn lautstarkt zum weitermachen auffordert. 2. Eine Jury wird aus dem Publikum gefunden in dem man fünf bis acht zu Juroren ernennt die sich freiwillig dazu melden. Sie urteilen nach eigenem Geschmack und so wie sie sich von dem Restpublikum beeinflussen lassen mit einer Note von 1 bis 10. Die höchste und die niedrigste Wertung werden dann gewöhnlich gestrichen. Dabei wird ungeregelt davon ausgegangen; jemand der sich traut einen eigenen Text vorzulesen beweist soviel Mut, dass er nicht geringer als mit der Note 4 bewertet wird. Auch Juroren werden immer wieder mal ausgebuht. Es geht dabei nicht so sehr um eine objektive Beurteilung, sondern um einen Gewinner zu ermitteln. 3. Der Text muss alleine tragen. Der Slammer darf keine Requisiten und kein Schauspiel/Gesang einsetzen um sich eine bessere Bewertung zu erschleichen. Ein gewöhnlicher Hut als Kopfbedeckung ist gestattet sofern er neutral zum Text ist. Die Slammer können vom Blatt lesen oder auswendig aufsagen. Das steht ihnen frei. 4. Es werden je nach Anzahl der Teilnehmer zwei Halbrunden gelesen. Dann lesen die Gewinner der beiden Halbrunden in einer Schlussrunde aus der dann der Gewinner des Abends ermittelt wird. Der Gewinn ist eine Flasche Alkohol, ein gebrauchtes Buch o.ä., Geldpreise sind verpönt. Die Slammer werden mit Getränken für diesen Abend vom Veranstalter freigehalten. Der Spass an der kulturellen oder künstlerischen Betätigung steht an erster Stelle.
Der erste Slam in der Seestadt kam mit einer ehr steifen Zurückhaltung daher. Die o.g. lockeren Regeln wurden missachtet und bestenfalls als Anregung verstanden um etwas anderes zu regeln. Warum das Rad hier neu erfunden werden musste wird wohl ein Geheimnis bleiben. Warum eine dreiköpfige Jury aus Dr. Beate Porombka (VHS), Rainer Donsbach (NZ) und Eberhard Pfleiderer sinnvoller war, wurde auch nicht richtig deutlich. Das aufwendige Beurteilungsverfahren überzeugte keineswegs. Es wurde nach drei aus der Luft gegriffenen Kategorien entschieden: A) Form des Vortrags, B) passt die Form zum Inhalt und C) Ausdruck des Vortrags. Besonders C) verwundert, weil doch beurteilt werden sollte ob der Vortrag beim Publikum angekommen sei. Das Publikum war anwesend, man hätte es fragen können.

Mathias Meier in Aktion
Die neun Autoren trugen ihre Schriften mit Herzblut vor. Die Texte wurden brav bis stürmisch mit Beifall bedacht. Es waren nicht unbedingt die typischen Slam-Texte, was der Veranstaltung nicht schadete. Im Gegenteil: mit der Lyrik wie sie von Manfred Barkhausen und Helmut Heiland vorgetragen wurde könnte ein eigenständiges Slam-Profil für die Seestadt entstehen. Den einzigen typischen Slam-Text präsentierte Mathias Meier. Er erreichte das Publikum unvermittelt und gewann die ungeteilte Sympathie aller und den ersten Preis; ein gebrauchtes Buch.
Abschließend kündigte Eberhard Pfleiderer an in einem Jahr evtl. einen nächsten Slam zu veranstalten. Bis dahin bleibt viel Zeit zur Reflektion und sich näher mit dem Thema zu beschäftigen.

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