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Donnerstag, 17. Mai 2012

Begeisternde Tanzkunst im TiF


(Bremerhaven) Eine Randerscheinung des Stadttheaters Bremerhaven ist die Tanzproduktion des Tanzensembles bei der die Tänzer eigene Choreographien arbeiten. Diese Randerscheinung hat es in sich. Gestern Abend bei der Premiere unter dem Titel EGO ZOOMING II im „Tif“ (Theater im Fischereihafen) konnte man das große künstlerische Spektrum der „Jungen Choreographen“ sehen. Die einzelnen kleinen Choreographien zeigten jenseits des gewohnten Ballettprogramms gewagte Bilder. 
Nach der ersten Nummer von Michael Sicucluna bei der ein schönes Zusammenspiel von Licht und Rhythmik Stimmung machte, trat Kai Braithwaite in einer eigenen Choreographie auf. Vor einem überwältigenden Textstream begann er wie in einer Kata beim Karate mit stillen Formen. Doch dann mit der Aufforderung „Watch My Power“ und zur Musik „The Miseducation Of Lauren Hill“ von einer knisternden Schallplatte, explodierte er in ein Feuerwerk dynamischer Abläufe. Braithwait hört mehr in der Musik als Noten und Takt, und drückt dieses mehr mit simpler schöner Klarheit aus. In seinem Bewegungsfluss wächst er über seinen Körper hinaus und füllt den gesamten Raum mit visuell hörbarer Musik.
Schon jetzt konnte man denken „mehr geht doch nicht“. Doch dann eine ganz andere Ausdrucksweise. In der Choreographie von Leticia Forattini Martins kämpft Maria Bayarri Perez mit Innerem nie Gesagtem. Wo die Sprache endet kann die Kommunikation mit Tanz (oder Gesang) weitergeführt werden. Nach der streng analytischen Form der Sprache (schon Rechtschreibfehler entdeckt? ;-) ) ist die Tanzebene eine multikomplexe Kommunikationsform poetischer Art. Mit einer einzigen Geste erzählt Perez ganze Geschichten. Die Schönheit dieser Geschichten liegt dabei in der Ehrlichkeit und Offenheit mit der sie sich jeder rationalen Bewertung entziehen. 
Nach der Pause überrascht Elisabeth Towles mit „Stability“ und der Musik „New York is Killing Me“ Die anfänglich sehr reduzierten Bewegungen wandeln sich in einem dramaturgischen Aufbau. Eine Verschiebung der Wahrnehmungsebenen: zuerst überwiegt die Musik und wie aus der Ferne kommt der Tanz, dann wird der Tanz so bedeutend und vielschichtig dass die Musik in den gefühlten Hintergrund versinkt. Der Tanz ist hier eine Bereicherung der Musik, der Tanz mit seiner reduzierten Brüchigkeit weist über die Möglichkeit des menschlichen Körpers hinaus, über den Menschen als Individuum.
Den Höhepunkt des Abends setzte Jose Martinez Grau mit seiner eigenen Choreographie „Unausgesprochene Worte“. Er spricht dazu Auszüge aus „Erreger“ von Albert Ostermeier. Sein Requisit ist ein Tisch. Das Thema „Versagen ist eine heilbare Krankheit“ Jose Martinez Grau zeigt eine Besonderheit im Umgang mit Sprache. Das Wort allein hat keine Bedeutung. Erst wenn ein Jemand es spricht und an Jemanden richtet wird es zur Information. Verbale Mitteilung ist somit unzertrennlich mit einem sendenden und empfangenden Körper verbunden. Man könnte auch sagen, was Shakespeare schrieb ist ohne Belang wenn wir niemanden finden der es sinnvoll mit Persönlichkeit vortragen kann. Jose Martinez Grau kann Sprache mit seinem Körper verbinden. Dadurch entsteht ein Sprachrhythmus und eine Melodie die von den Bewegungen und Anstrengungen seines Körpers beeinflusst sind. Darüber hinaus sind die tänzerischen Formen in Übereinstimmung mit dem was er sagt. Und so kreiert er eine Tisch-Tanz-Sprachwelt die in einer amorphen Komplexität eine poetische Klarheit ausstrahlt. Er spricht und tanzt in die Herzen, was ihm der donnernde Applaus bestätigte.
Die vielen tanzbegeisterten Zuschauer kamen voll auf ihre Kosten. Es darf hier auch erwähnt werden, dass die Beleuchtung von Thomas Güldenberg in präziser Übereinstimmung mit der Aktion auf der Bühne war. Nur die nötigsten Scheinwerfer mit den treffenden Settings setzten den Tanz ins richtige Licht.
Dies ist die Tanzqualität die ein junges Publikum begeistern kann um etwas über Kommunikation, Gestaltung und Reflektion über das menschliche Dasein etc. heraus zu finden. Weitere Vorstellungen sind noch am Freitag 08. Juni 20:00, sowie am Sonntag 24. und Mittwoch 27. Juni jeweils 18:00 jeweils im Tif. Karten gibt es unter 0471 - 932 330 oder via eMail: tif@nord-com.net

1 Kommentar:

  1. Sehr geehrte/-r H. ,

    Ich bin der Jose Martínez Grau von den Sie geschrieben haben. Ich habe erst Heute durch Zufall Ihr Kritik gefunden und bin zutiefst berührt von das was Sie geschrieben haben. Ich wollte mich persönlich ganz ganz herzlich bedanken.

    Da ich am Donnerstag meine letzte Vorstellung als Tänzer habe, freut mich so etwas über mich lesen zu können und damit mein Tanzkarriere abschließen zu können, mit dem, was mir als Tänzer immer wichtig gewesen ist, nämlich Menschen berühren, sie über Ihre Probleme und Sorgen für einen Moment trennen zu können.

    Danke!

    Jose Martínez Grau
    josemartinezgrau@me.com

    P.S. Bitte Schreibfehlern übersehen :) Mein Deutsch ist manchmal begrenzt.

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