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Freitag, 27. Dezember 2013

Langer Weg eines Aussenseiters in den selbstgewählten Tod


(Bremerhaven) Wo der Sozialstaat nicht greift, ist der Mensch seinem Schicksal selbst überlassen. In den letzten Monaten konnte man häufiger in der Presse lesen, dass Menschen aus finanziell-sozialer Verzweiflung den Weg des Suizids gewählt haben. Der Bundespräsident beschwört die Bürger, sie mögen sich stärker ehrenamtlich, also unentgeltlich, engagieren, und somit folglich die Aufgaben des Sozialstaats übernehmen. Zig Milliarden € werden jährlich in der BRD förmlich verbrannt, veruntreut, verschwendet, doch will es den Politikern nicht gelingen die sozialen Missstände zuordnen und die Bedürftigen angemessen zu versorgen. Man muss in Zukunft deutlicher den je die Frage stellen, wer mit Geld Haushalten kann und wer nicht. Man wird auch mehr in Frage stellen müssen was wichtiger ist: Die bestehende Rechtsordnung oder das Leben der 20 - 30% Mitbürger die kaum oder gar nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

So plakativ und allgemein die Einleitung auch klingen mag, sie trifft auf viele Lebenswege und entscheidet oft über Leben und Tod einzelner Personen. Exemplarisch darf hier auf ein Buch von Eberhard Pfleiderer verwiesen werden: Rotkäppchen - Wer kannte ihn wirklich? Dabei handelt es sich um eine Figur die in Bremerhaven lebte und dort durch Suizid aus dem Leben schied. Es ist ganz normal Biografien zu verfassen über Leute die im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stehen oder standen. Leute die Geschichte geschrieben haben. Man setzt ihnen ein Denkmal weil sie etwas für die Gemeinschaft wertvolles geschaffen haben. Dann beleuchtet man auch deren Schattenseiten, um zu zeigen, dass es sich bei diesen Vorbildern auch um Menschen gehandelt hat. Pfleiderers Biografie von Rainer Bruno Jürgen Kühl ist das Gegenteil. Das Buch zeigt die Versagerlaufbahn eines Menschen der ethisch keineswegs vorbildlich gelebt hat. Es wird sein Kampf beschrieben, mit dem ihm gegebenen Umständen erwachsen zu werden und mit der Bürde seiner Vergangenheit klar zu kommen. Es zeigt einen Egoisten und narzisstisch geprägten Menschen der seine Lebensherausforderungen so weit verdrängt, im Sinne von Freudscher Psychologie, bis er sich  in letzter Konsequenz selbst aus der Welt entfernen muss. Was er dann schließlich auch tut.

Die Biografie ist mehr eine recht gut recherchierte Sozialstudie als ein Leuchtfeuer moralisch nachahmenswerter Grundsätze. Es ist die offen gestellte Frage, welche Verantwortung unser Sozialstaat hat? Und kommt er ihr nach? Die Sozialisation des Rainer Bruno Jürgen Kühl fand durch die Duldung seiner Mitmenschen und durch das Mitgefühl seiner Freunde statt. Die Zeit in der wir heute Leben gibt noch weniger Zeitraum für Mitmenschlichkeit als vor 30/40 Jahren. Jetzt, ca. 15 Jahre nach seinem Suizid, bietet dieses Buch eine nützliche Fallstudie. Manchmal zwar etwas schwierig der Chronologie zu folgen, und vielleicht auch zu häufige Wiederholungen im Text, könnte man als negativ anführen. Doch diese „stilistischen“ Schnitzer sind verzeihlich im Vergleich zum Thema und der gründlichen Darstellung. 

Eberhard Pfleiderer - Rotkäppchen - Wer kannte ihn wirklich? Buch mit beigefügter DVD ca. 1:40 Std. Laufzeit, beim Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven ISBN 978-3-86509-819-1

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